Gesichter des BJL: Ludwig Seeger

Was zeichnet die Menschen in den Betrieben beim Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen. Diesmal mit dem Gemüsegärtner Ludwig Seeger aus Börnicke bei Bernau.

20.01.2022

Gesichter des BJL: Ludwig Seeger

Ludwig ist seiner inneren Stimme gefolgt und zog vor 15 Jahren die Arbeit im Gemüsebau als im Büro vor. Er hat seit vielen Jahren seine Gärtnerei in Börnicke und ist in der Umgebung bekannt. Nun geht er einen Schritt weiter. Zusammen mit Gleichgesinnten baut er einen bürgergetragenen Landwirtschaftsbetrieb auf, „Bürgergut Börnicke“ heißt er. Das Ziel ist die öde Monokultur-Landschaft zu verändern und die Beziehung zwischen Stadt und Land wiederherstellen. Der Anfang ist gemacht: Es gibt schon Mutterkühe und Legehennen!

Ludwig, wie bist du zur Landwirtschaft und nach Börnicke gekommen?

Ich habe ursprünglich nicht geplant Gärtner zu werden. Aber die Vorstellung in einem Amt oder so einem schnöden Bürojob nachzugehen war für mich furchtbar. Darum bin ich raus ins Grüne. Ich studierte Landschaftsnutzung und Naturschutz in Eberswalde und suchte nach einem Standort für meinen Bauwagen. Dort wollte ich meine Diplomarbeit schreiben. Ich komme aus Bernau, daher kannte ich den Pfarrer hier im Dorf und pachtete von ihm ein Grundstück. Während der Diplomarbeit bekam ich eine Schreibblockade und fing an, auf der Fläche Gemüse für mich anzubauen. Es lief gut, so dass was übrigblieb und ich die Überschüsse im Dorf verkaufte. Daraus ist dann Schritt für Schritt die Gärtnerei entstanden. Die Resonanz war da: Die Menschen haben sich über mein Gemüse gefreut, das war für mich die größte Antriebskraft. Ich machte dann eine gärtnerische Ausbildung beim Gärtnerinnenhof Blumberg, bin nun schon im 15. Anbaujahr und habe einen festen Kundenstamm, der regelmäßig bei mir Gemüse bestellt.

Und nun hast du einen zweiten Betrieb, das „Bürgergut Börnicke“ gegründet. Was hat dich dazu bewegt?

Jedes Mal, wenn ich zwischen Bernau und Börnicke Fahrrad gefahren bin und mir die Landschaft angeguckt habe, fand ich es furchtbar, wie ausgeräumt diese ist, wie darauf gewirtschaftet wird und dass z.B. Glyphosat gespritzt wird. Die Landwirtschaft unterliegt einem krassen Konzentrationsprozess und akkumuliert sich in den Händen einiger Weniger: Große Betriebe werden noch größer und die Kleinen verschwinden. Ich wollte etwas dagegen tun, aber wenn du gegen etwas bist, dann bist du nur am Meckern, gehst zur Demo, blockierst irgendwas, hast Streit. Ich wollte einen anderen Weg gehen: Selbst anders machen, Vorbild werden, ausprobieren. So kam ich zur Idee hier einen neuen Landwirtschaftsbetrieb zu gründen. Denn wenn ich die Landschaft anders gestalten will, muss ich an die Fläche ran. Mit 0,5 ha Gemüsebaubetrieb hatte ich nicht den Einfluss auf die Landschaft, den es dafür braucht!

Wie bist du bei der Gründung vorgegangen?

Ich habe meine Freund:innen und Kund:innen von der Gärtnerei zu einem kleinen Infoabend eingeladen und einen kritischen Vortrag zur aktuellen Situation in der Landwirtschaft gehalten. Dann gründete sich eine Initiative, die später zur Genossenschaft wurde. 2014 kauften wir die erste Fläche von der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG).

War es schwierig, ans Land zu kommen?

Ans Land zu kommen war nicht schwierig, aber das Land zu kaufen schon. Da schien es mit zwielichtigen Machenschaften einherzugehen. Wir waren die Meistbietenden und bekamen die Fläche trotzdem nicht, weil die BVVG sie an einen Bauinvestor geben wollte. Die Begründung seitens der BVVG dafür war, dass der Investor von der Stadt Bernau die Auflage hatte, Regenwasserrückhaltebecken zu bauen. Das sollte auf dieser Fläche passieren, weil es geologisch geeignet wäre. Die Stadt widerlegte uns gegenüber diesem Sachverhalt und teilte uns mit, dass die Fläche auch gar nicht dazu geeignet sei. Dann konfrontierte ich damit die BVVG und sechs Wochen später kam der Kaufvertrag.

Warum habt ihr euch für Genossenschaft als Rechtsform entschieden?

Ich wollte Menschen reinholen, die nicht viel mit der Landwirtschaft zu tun haben. Denn diese Beziehungslosigkeit und Entfremdung zwischen Stadt und Land führt dazu, dass mit der Landschaft so stiefmütterlich umgegangen wird. Daher gründeten wir einen bürgergetragenen landwirtschaftlichen Betrieb, wo Menschen Geld, Verantwortung, Knowhow und was auch immer sie haben mitreinbringen. Momentan sind wir 35 Genoss:innen und nehmen neue auf.

Was habt ihr schon für Produkte vom Bürgergut Börnicke und wie werden sie vermarktet?

Momentan haben wir Fleisch von unserer Galloway-Mutterkuhherde und Eier aus dem mobilen Hühnerstall. Die Eier vermarkten wir über Hühnerpatenschaften. Das heißt, du erklärst dich bereit, eine Legeperiode lang – 85 Wochen – die Eier von einem Huhn zu nehmen und bezahlst dafür die Kosten wie Futter, Arbeit, Stall und Fläche. Insgesamt sind das 175 Euro, die wir für ein Huhn brauchen. Pro Woche bekommt ein(e) Pat:in sechs Eier. Wenn wir Hühnerpatenschaften vereinbaren, fragen wir auch direkt die Menschen, ob sie auch Genoss:innen werden wollen. So haben wir schon über 100 Mitgliedschaftsanfragen bekommen. Angenommen jede(r) zeichnet Anteile in Höhe von 300 Euro, haben wir 30 000 Euro und können für dieses Geld einen Traktor oder Anhänger kaufen.

Der Betrieb ist noch ganz jung, was sind eure Pläne für die Zukunft?

Wir wollen die Eiersparte festigen und weiterausbauen, denn der Bedarf ist da. Die Rinderherde soll auch weiter entwickelt werden. Momentan haben wir 11 Rinder und uns schwebt eine Größe von 100 Tieren vor. Das Futter soll unbedingt vor Ort angebaut werden, damit wir Wirtschaftskreisläufe komplett schließen. Der Gemüsebau muss noch dazu kommen. Der Absatzmarkt ist da, die Fläche ist da. Was uns fehlt sind die Arbeitskräfte: Sobald hier Gärtner:innen mitmachen, können wir uns vergrößern. Unsere Perspektive ist, für 200 Leute Gemüse, Eier und Fleisch herzustellen.

Das klingt toll! Danke dir für das Gespräch und viel Erfolg!