Gesichter des BJL: Heike Bernhardt

Was zeichnet die Menschen bei den Betrieben im Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen. Diesmal stellen wir die Gemüsegärtnerin Heike Bernhardt von der Biokräuterei Oberhavel vor.

26.04.2021

Gesichter des BJL: Heike Bernhardt

Titelfoto: Maria Dolocek 

Heike ist 2013 als Gemüsegärtnerin zur Biokräuterei gekommen und erlebte bereits vieles auf dem Betrieb. Viele schöne Momente, zum Beispiel mit den Solawi-Mitgliedern auf dem Acker gehören dazu. Aber auch Ereignisse wie der zerstörerische Starkregen im Sommer 2017, dieser hinterließ schwere Schäden, so dass fast die ganze Ernte plötzlich verloren ging.

Heike, wie kamst du in den Gemüsebau?

Eigentlich bin ich im Plattenbau in Rostock-Everhagen aufgewachsen und hatte gar keinen Bezug zur Natur. Ich war aber gern draußen und hab viel Sport gemacht. Nach der Schule studierte ich erst Geografie, aber es war mir zu theoretisch und ich suchte mir ein gärtnerisches Praktikum. Die Arbeit in der Landwirtschaft empfand ich als sehr sinnvoll und entschied mich, eine Ausbildung als Gemüsegärtnerin bei den Mosaik-Werkstätten in Berlin zu machen. Fast direkt danach bin ich bei der Biokräuterei eingestiegen - nun ist es schon meine neunte Saison hier!

Wie ist der Betrieb entstanden?

Der Betriebsinhaber Matthias Anders ist ein Biologielehrer und gründete vor 14 Jahren zusammen mit seiner Frau Traudel Anders die Biokräuterei, um seinen Schüler:innen mehr Praxisbezug zu ermöglichen. Ursprünglich wurden hier Kräuter angebaut, daher kommt auch der Betriebsname. Zum einen, weil der Boden hier so sandig, ist und zum anderen, weil es bereits genug Gemüseangebot auf Berliner Märkten gab - Kräuter waren eine gute Nische.

Arbeitsansatz mit Solawi-Mitgliedern. Foto: Tim Rimmele

Seitdem hat sich einiges geändert…

Ja, wir sind sehr gewachsen, mittlerweile sind wir neben dem Chef, der sich vor allem um administrative Aufgaben kümmert, fünf Gärtner:innen, zwei Auszubildende, Erntehelferin, ein bis zwei Praktikantinnen, Marktverkäuferinnen und ein Fahrer . Wir bauen neben Kräutern auch ganz viel verschiedenes Gemüse und Kartoffeln an. Wir vermarkten unsere Erzeugnisse auf drei Berliner Wochenmärkten und über unsere Solawi mit 200 Anteilen. Den Anbau leiten wir als Gärtner:innen-Team zusammen mit dem Chef.

Was gefällt dir am Betrieb besonders? Du bist schon ziemlich lange dabei.

Ich kann mich hier als Gemüsegärtnerin gut entfalten und weiterentwickeln. Seit 2018 haben wir angefangen, nach Methoden der regenerativen Landwirtschaft zu wirtschaften. 2017 gab es in Oranienburg 300 ml Niederschlag an einem Tag, was der höchste Wert seit Jahrhunderten war. Das war Ende Juli, die Zeit wo du alles fertig gehackt hast und ein bisschen Ruhe hast, bevor es in die Ernte geht. Es kam anders: Alles war unter Wasser und die Ernte war von einem Tag auf den anderen nahezu komplett zerstört. Das war echt schlimm. Wir haben dann den Bodenberater Dietmar Näser um Hilfe gebeten und haben seine Empfehlungen sehr konsequent umsetzt, damit auf den Flächen wieder was wachsen konnte. So kann ich hier noch sehr viel über den Boden lernen.

Wie seid ihr mit dem Ernteverlust umgegangen?

Das war ein Schock-Erlebnis, das uns zeigte, dass der Klimawandel nicht irgendwo in Indien ist, sondern vor unserer Haustür steht. Eine große Stütze für uns waren die Solawi-Mitglieder, die weiterhin ihre Beiträge zahlten. Das war toll! Wir haben von unserer Situation über unsere Netzwerke und Kontakte berichtet und ein Spendenkonto eingerichtet. Ganz viele Höfe und Menschen haben Geld gespendet. Andere Höfe aus der Umgebung teilten mit uns ihre Ernteüberschüsse, so dass wir unsere Solawi-Mitglieder weiter versorgen konnten. Das war auf jeden Fall eine wichtige Erfahrung, die uns gezeigt hat, was Solidarität ist und was sie bedeutet.

Gewächshaus. Foto: Tim Rimmele

Was habt ihr in eurer Bewirtschaftung verändert?

Sehr viel! Wir haben Wege begrünt und angefangen, mit Untersaaten zu arbeiten. Unser Ziel ist, den Boden zu beleben, z.B. mit einer „gesteuerten Flächenrotte“. Das heißt, wir arbeiten die Gründüngung zusammen mit effektiven Mikroorganismen flach in den Boden ein und lassen diese auf der Fläche verrotten. Wir arbeiten nun viel mit Komposttees, um Pflanzen zu vitalisieren, damit sie mit ihren Ausscheidungsprodukten die Mikroben füttern. Bei jeder Bodenbearbeitung setzen wir Fermente ein, damit die Mikroben einen neuen Impuls bekommen und aktiviert werden – das funktioniert ein bisschen wie beim Sauerteig. In den Fermentationsprozess kommen unsere eigenen Unkräuter rein, sodass die heimischen Mikroben sich vermehren. So entsteht ein natürlicher Kreislauf zwischen Pflanzen und Mikroben, der den Boden lebendig und resilient gegenüber extremen Wetterereignissen macht.

Wie geht es nun „eurem“ Boden, ist das ein Erfolgsmodell?

Bereits im ersten Jahr nach dem Starkregen haben wir große Verbesserungen gemerkt, aber es gibt noch Potenzial nach oben. Diese Methoden kommen eigentlich aus dem Ackerbau und es gibt nicht so viele Gemüsebetriebe, die sie konsequent umsetzen. Daher ist es schon eine Pionierarbeit, weil die Erkenntnisse der regenerativen Landwirtschaft immer mehr werden.

Danke dir für das Gespräch!