Gesichter des BJL: Vivian Böllersen

Was zeichnet die Menschen bei den Betrieben im Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen. Diesmal stellen wir die Walnussliebhaberin Vivian Böllersen vor.

15.03.2021

Gesichter des BJL: Vivian Böllersen

Vivian engagiert sich für den heimischen Walnussanbau und hat 2015 die Walnussmeisterei Böllersen  gegründet. Während auf ihrer Fläche in Velten (Oberhavel) 200 Walnussbäume zu ihrer Ertragsreife heranwachsen, erntet Vivian die Walnüsse in ganz Brandenburg, veredelt sie zu Köstlichkeiten und zeigt damit, dass die knackigen Kerne nicht unbedingt aus weiter Ferne kommen müssen. 

Vivian, wie kamst du in die Landwirtschaft?

Ich bin in Berlin-Neukölln großgeworden und meine Eltern hatten keinen Bezug zur Landwirtschaft. Wir hatten aber einen Garten am Rande Berlins und da hatte ich schon als Teenager Spaß, Gemüse anzubauen. Nach der Schule studierte ich Ökolandbau und Vermarktung in Eberswalde. Und damit nahm alles seinen Lauf… 
 
Warum hast du dich auf Walnüsse spezialisiert?
 
In unserem Garten stand ein Walnussbaum. Im Studium ist es mir deutlich geworden, dass die meisten Walnüsse, die wir in deutschen Supermärkten kaufen, aus Übersee importiert werden. Nach meinem Bachelor habe ich den Masterstudiengang „Öko-Agrarmanagement“ an der HNEE absolviert und meine Masterarbeit dem Walnussanbau gewidmet. Ich wollte wissen, warum es in Deutschland keinen Anbau gibt. 

Und was hast du herausgefunden?

In erster Linie gab es lange keinen Bedarf danach, weil Menschen sich selbst mit Walnüssen versorgen konnten. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft, in der Nachkriegszeit, wurden eher Kulturen bevorzugt, die schnell wachsen. Und da hat der Walnussbaum nicht reingepasst, weil er eine lange Anlaufphase braucht. Dementsprechend wurden auch keine Erfahrungswerte gesammelt. Während ich für Kartoffeln oder Getreide in den KTBL-Datensammlungen ablesen kann, welche Erträge auf welchen Standorten zu erwarten sind, gibt es für Walnüsse so etwas nicht. Das schreckt die Landwirte ab, wenn es keine fundierten betriebswirtschaftlichen Zahlen gibt. Es braucht schon eine gute Portion Mut, um sowas zu starten.

Die hattest du offensichtlich. Wie hast du dich für so einen Pionierbetrieb entschieden? 

Nachdem ich meine Masterarbeit geschrieben und das theoretische Wissen zusammengefasst hatte, wollte ich es in die Praxis tragen und den Walnussanbau vorantreiben. Regionalität ist momentan in aller Munde und ich habe ein großes Potenzial dahinter gesehen. Direkt nach dem Masterabschluss 2015 haben wir dann zusammen mit der Ökonauten eG das Land gekauft und 200 Walnussbäume von über 30 verschiedenen Sorten gepflanzt. 

Die Bäume brauchen noch eine Weile, bis sie tragen. Woraus besteht gerade deine Arbeit?

Sie ist vielfältig und umfasst die ganze Wertschöpfungskette. Momentan kaufe ich die Nüsse von privaten Flächen, knacke sie zum Teil und verkaufe an Endverbraucher:innen weiter. Wir veredeln die Walnüsse zu Öl, Likör und Süßwaren. Außerdem pflege ich meine Bäume und habe eine Baumschule, die mit Pflanzgut handelt. Ich berate andere Landwirt:innen, damit mehr Anlagen in Deutschland entstehen und halte Vorträge auf Fachkonferenzen. Vor allem in Bezug auf Agroforst ist Walnussanbau gerade ein heißes Thema. 

Worauf legst du am meisten Wert?
 
Authentizität. Die hohen Preise, die kleine regionale Erzeuger:innen aufrufen, haben ihre Berechtigung, aber viele Menschen haben nur ein oberflächliches Bild davon, wie Lebensmittel produziert werden und schrecken zurück. Mir ist wichtig, das greifbar zu machen, die Leute hierher einzuladen und zu zeigen, dass es ein aufwändiges Geschäft ist. 

Was sind deine Herausforderungen? 
 
Das ist vielleicht ein Frauending, aber Kinder haben und selbstständig sein ist schon Hardcore. Es ist schwierig, den eigenen Ansprüchen, dem Nachwuchs und dem Unternehmen gegenüber gerecht zu werden und sich nicht ständig zerrissen zu fühlen. Eine andere Herausforderung, wie auch in anderen landwirtschaftlichen Betrieben, sind Unkalkulierbarkeit der Natur und klimatische Veränderungen. Wir mussten schon ein paar mehr Bäume auswechseln als gedacht. Was den Klimawandel betrifft, sind Walnussbäume prinzipiell anpassungsfähig, aber der Schädlingsdruck steigt und wir müssen sehr vorausschauend planen, wenn es um die weitere Betriebsentwicklung geht. 

Welche Gedanken habt ihr euch dazu gemacht? 

Wir haben mehr Fläche bekommen und wollen dort Gemüse anbauen. Andere Ideen stehen noch zur Debatte. Wir könnten zum Beispiel die Verarbeitung stärker ausbauen, weil wir noch keine Verarbeitungsküche haben und bislang noch sehr viel manuell arbeiten. Das würde aber auch hohe Investitionen bedeuten. Auf der anderen Seite könnten wir den Hofladen mehr in Richtung Erlebnis- und Ausflugsort entwickeln. Aber auf jeden Fall werden wir die Strukturen schaffen, um mit der Rohware professioneller arbeiten zu können. Unsere Bäume werden irgendwann tragen und hoffentlich werden auch generell in Deutschland mehr Walnüsse angebaut. Mir schwebt sowas wie eine Erzeuger:innengemeinschaft vor. Deswegen brauchen wir mehr Lagerkapazitäten und Möglichkeiten am Hof, größere Mengen an Nüssen zu waschen, zu trocknen und zu knacken.

Danke dir für das Gespräch und viel Erfolg!

Fotos: Vivian Böllersen