Gesichter des BJL: Sarah Raimann

Was zeichnet die Menschen in den Betrieben beim Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen. 

31.07.2021

Gesichter des BJL: Sarah Raimann

Titelbild: Elena Pastorelli

Sarah Raimann hat mit ihrem Partner Joe Petraschek eine Dorfbrauerei im uckermärkischen Stegelitz aufgebaut. Im Gebäude der ehemaligen Dorfbäckerei sollen bald bis 500 Liter pro Woche unterschiedlicher Craft-Bier Sorten gebraut werden.  

Sarah, wie bist du dazu gekommen, eine Dorfbrauerei zu gründen?

Ich arbeitete 15 Jahre als Managerin in der Berliner Clubszene, vor allem im SO36 in Kreuzberg. Nach der Geburt meiner Kinder merkte ich aber, dass das Nachtleben nicht mehr so richtig in mein neues Leben passt und orientierte mich neu. Der Anfang war das Studium Ökolandbau und Vermarktung an der HNE. Dort wurde mir klar, dass ich in der Lebensmittel-Verarbeitung arbeiten möchte und auf einen Hof ziehen will. Bier brauen war schon immer mein Traum, aber ich dachte, es wäre ohne Ausbildung zu schwierig. Dann habe ich meinen Partner Joe kennengelernt, der mir zeigte, dass das nicht stimmt. Gemeinsam fingen wir an, zuhause in der Küche Brauen zu lernen. Einige Jahre war das unser Hobby. Dann beschlossen wir eine eigene Brauerei zu gründen. Kurz vor dem Studienabschluss kaufte ich mit meinen Eltern einen Hof in Stegelitz. Auf dem Hofgelände befand sich die ehemalige Dorfbäckerei, die wir nun in eine Brauerei umgewandelt haben. 

Wie habt ihr den Aufbau des Betriebes finanziert?

Vielfältig, wie unsere Biere: Durch Crowdfunding konnten wir rund 22 000 Euro sammeln, dann beantragten wir eine LEADER-Förderung, die 45% unserer Sachinvestitionen deckt. Zuletzt kam noch die Regionalwert AG mit einer Investition von 35 000 Euro mit ins Boot. Insgesamt haben wir etwa 100 000 Euro für die Bauarbeiten, Brauanlage und weitere Infrastruktur gebraucht.

Was waren die größten Herausforderungen für euch?

Einige Grundlagen waren uns vorher nicht bewusst. Zum Beispiel die Frage, was mit dem Abwasser passiert. Andere Brauer, die uns beraten haben, meinten, dass wir uns einfach anmelden sollen und dann wird das Abwasser in die Kanalisation eingeleitet. Der Unterschied war aber, dass diese Brauer in der Stadt waren und wir auf dem Dorf, wo so was ganz anders geregelt wird. Mit dem Stromanschluss war es ähnlich: Wir hatten schon fast alles fertig, als der Netzbetreiber uns mitteilte, dass die Stromleitungen gar nicht ausreichten, um unsere Anlage zu betreiben. Für alles fanden wir Lösungen, aber es war eine Überraschung, dass die Infrastruktur auf dem Dorf sich so viel von der städtischen unterscheidet.

Was ist das Besondere an eurer Brauerei?

Wir holen handwerklich produziertes Bier aufs Dorf und vermarkten es vor Ort. In Brandenburg ist Craft-Bier hauptsächlich eine urbane Angelegenheit. Es gibt in der Uckermark noch drei weitere kleine Brauereien, die aber nicht die gesamte Nachfrage decken können. Denn das Interesse ist sehr groß, nicht nur bei Neu-Uckermärker:innen oder Tourist:innen, sondern auch bei Alteingesessenen. Viele Brauer:innen trauen sich aber nicht, hier etwas zu starten, weil Brandenburg so dünn besiedelt ist. Es gibt alte Regeln, die sagen, dass es sich erst lohnt, eine Brauerei im Dorf zu haben, wenn dort mindestens 2000 Menschen wohnen. Wir denken aber, dass es auch anders geht und wollen hier auf dem Land Bier brauen. Wir möchten vernetzt agieren und wollen mit den Landwirt:innen aus den umliegenden Dörfern Produktionsketten und Wege aufbauen, uns mit den Gastwirt:innen hier verbinden und gemeinsam die Kundschaft ansprechen. Vor allem jetzt, mit den unabsehbaren Corona-Bedingungen, ist die gegenseitige Unterstützung sehr wichtig.

Wie viele Biersorten werdet ihr vermarkten und worauf habt ihr bei deren Entwicklung geachtet?

Wir brauen vor allem für die Menschen aus der Region! Deswegen haben unsere Biere keine wahnsinnigen exotisch-aromatischen Explosionen oder extravagante Geschmacksrichtungen. Zurzeit sind das drei Sorten: Mörksch, oder märkisches Ale, das ähnlich wie Helles ist. Mandy Ale ist mit Hopfen gestopft und hat ein blumiges Aroma. Indy Fresse ist herb und erinnert an norddeutsches Pils. Die sind jetzt schon relativ bekannt und haben ihre Fans. Wir haben schon zwei Jahre lang Bier nach unseren Rezepten aus einer Brauerei in Berlin hier vermarktet.. Das war gut , um zu sehen, worauf die Kund:innen Wert legen, wie die Vermarktung läuft und um noch mehr über das Bier zu lernen. Zum Beispiel wie du die Qualität auf unterschiedlichsten Stufen erhalten kannst.

Woher bezieht ihr die Rohstoffe?

Wir streben eine möglichst regionale Rohstoffversorgung an. Darum probieren wir bereits bei der Rezeptentwicklung nur europäische Hopfensorten aus. Wir nahmen Kontakt zu einer Mälzerei aus der Rhön in Mellrichstadt auf, die Getreide direkt von den Landwirt:innen aus der Umgebung kauft und verarbeitet. Wenn wir das noch etwas regionaler hinbekommen würde wäre das die Richtung, in die wir gehen wollen.

Was wünschst du dir für die ersten Lebensjahre der Dorfbrauerei?

Nach dieser ganzen Corona-Geschichte wünsche ich mir am allermeisten Gäste. Ich freue mich darauf, dass Leute hier auf den Hof kommen, unser Bier trinken und gute Laune davon bekommen, es genießen und sich unterhalten. Neben dem Ausschank auf dem Hof soll es noch einige gastronomische Angebote geben, woran wir momentan noch arbeiten. Bleibt also gespannt! Die Eröffnung ist im September 2021!

Fotos: Sarah Raimann 

Text: Viktoria Mokretsova