Gesichter des BJL: Olli Jahn

Was zeichnet die Menschen in den Betrieben beim Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen.

31.08.2021

Gesichter des BJL: Olli Jahn

Diesmal stellen wir euch Olli Jahn vom Hof Basta vor. In dem kleinen Örtchen Basta im Oderbruch baut das Gärtner:innen-Kollektiv Gemüse für 150 Solawi-Haushalte an. Auf dem Hof herrschen flache Hierarchien und Experimentiergeist: zu den Erzeugnissen sollen noch Obst, Öl und Müsli kommen.

Olli, wie bist du in die Landwirtschaft gekommen?

Ich lebte viele Jahre in Berlin und studierte an der Freien Universität Sozial- und Kulturanthropologie. Nebenbei engagierte ich mich viel politisch und kam so zum Thema Ernährungssouveränität. Im Vergleich zu urbanen Problemen fand ich es so konkret, mich um Lebensmittel zu kümmern. Ich war mit Menschen umgeben, die wenig Geld hatten und auch nicht bereit waren, schlechte und unfair produzierte Lebensmittel zu essen. Deswegen gründeten 2010 meine Lebensgenossin Anna und ich das Solawi-Projekt in Basta, um vor allem diesen Menschen gutes Essen zu ermöglichen. Ursprünglich hatte ich nichts mit der Landwirtschaft zu tun und eignete mir alles „learning by doing“ an.



Wie lief die Solawi-Gründung ab?

Wir organisierten drei Infoveranstaltungen in Berlin, wo interessierte Menschen in die Solawi einsteigen konnten. Im ersten Jahr hatten wir 60 Ernteanteile, wir waren zu zweit mit einem kleinen Kind. Auf den Infoveranstaltungen sagten uns Menschen: „Ich mache nur mit, wenn ihr euch nicht total rund macht“. Es war so schön, dass diese Haltung so laut und vehement vertreten wurde und dass es keine Überlegungen gab, wie groß ein Anteil ist und ob er nicht teurer als im Bioladen ist. Stattdessen sind wir auf Menschen gestoßen, denen es wichtiger war, nachhaltig alternative Strukturen aufzubauen. Das tat gut, denn schon im ersten Jahr gab es auf unserem Betrieb eine Überschwemmung nach Starkregenfällen, wobei die Hälfte des Gemüses abgesoffen ist. Wir kauften dann Jungpflanzen und machten zusammen mit den Mitgliedern alles nochmal. Im Endeffekt hatten wir eine feine Winterversorgung. Das war für uns eine Bestätigung davon, was die Leute damals im Plenum gesagt haben. Im zweiten Jahr waren wir aber nicht mehr zu zweit, sondern ein gleichberechtigtes 5-er Team.

Wie seid ihr nach Basta und an Land gekommen?

Der vorherige Besitzer Peter ist seit 1992 hier und wohnt immer noch in Basta. Er pachtete das Land von der bundeseigenen Bundesverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) und baute einen konventionellen bäuerlichen Ackerbau auf. Peter hat die lange Logistik für ein Produzent:innen-Netzwerk gemacht, wo lokale kleinbäuerliche Betriebe sich zusammenschließen, um direkt nach Berlin zu vermarkten. Ich wohnte damals 2004 in einem Wohnprojekt, das deren Produkte bezog und lernte so Peter und Basta kennen. Als wir 2009 einen Hof suchten, rief ich Peter an und er bot uns sein Land an.

Mittlerweile pachtet ihr das Land von der Kulturland-Genossenschaft und nicht von der BVVG. Wie ist es dazu gekommen?

2016 befreiten wir das Land zusammen mit der Kulturland-Genossenschaft. Durch 500 Euro Anlagen in die Genossenschaft sammelten wir 180 000 Euro ein und kauften 9 Hektar Ackerland direkt am Hof. Es war schwierig, mit der BVVG zu verhandeln. Peter als Pächter machte das für uns, weil die aktuellen Pächter vergünstigt kaufen dürfen. Sonst müsste die Fläche öffentlich ausgeschrieben werden und wir würden die Ausschreibung nie gewinnen können. Peter half uns generell sehr viel: er stellte uns seine Werkstatt, seinen Trecker und Gebäude zur Verfügung und baute Gewächshäuser mit auf. Es ist so wertvoll, wenn junge Projekte wie wir so von Menschen begleitet werden, die schon da sind. Es war so ähnlich wie eine Hofübergabe.

Neben Gemüse baut ihr noch Getreide an. Wie vermarktet ihr das?

Im Gegenteil zu vielen anderen Betrieben hatten wir immer zu viel Fläche und mussten erst überlegen, was wir damit machen können. Wir bauen schon lange Weizen an, weil wir ihn selbst drillen und striegeln können. Seit 2015 kooperieren wir mit einer kollektiven Bäckerei aus Berlin. Es gibt aber gerade einen großen Trend unter Berliner:innen, keinen Weizen mehr zu essen und die Bäckerei hat Schwierigkeiten, Weizenbrot abzusetzen. Darum werden wir alte Sorten wie Einkorn und Emmer ausprobieren.

Den Ackerbau wollen wir auch in die Solawi integrieren. Das ist schwierig, weil es in Brandenburg keine Weiterverarbeitungsmöglichkeiten für kleine Mengen gibt. Darum gibt es nur wenige bäuerliche Ackerbaubetriebe. Wir haben Lust, diesen Teufelskreis zu brechen und wollen unser Getreide vor Ort weiterverarbeiten. Dafür wollen wir eine Flockenquetsche für Müsli anschaffen.

Gibt es noch andere Pläne für die Zukunft?

Ja! Zum Beispiel soll irgendwann Obst in unserer Solawi-Kiste sein. Neulich pflanzten wir Obstbäume. Solawi-Mitglieder können eine Baumpatenschaft ohne Ernteansprüche übernehmen. So finanzieren wir die Pflanzung, weil wir uns diese Ausgabe nicht leisten können. Die Ernte wird dann unter allen Mitgliedern verteilt.

Unser weiteres Vorhaben ist, erhitzbares Speiseöl für die Solawi zu produzieren. Ein befreundeter Betrieb hat eine Ölmühle, wo wir im Winter etwa 1000 Liter Öl aus unseren Sonnenblumenkernen pressen können. Wir probieren verschiedenes aus, u.a. werden wir auch Lein anbauen. Es gibt jemanden, der Lupinen bei uns anbauen und daraus Schnetzel machen möchte. Wir sind offen für allerlei Experimente.

Wie schafft ihr das alles? Haltet ihr noch dieses Versprechen ein, euch nicht total rund zu machen?

Das klappt nicht immer, aber wir sind unterwegs. Wir haben Phasen, wo es uns ganz gut gelingt, aber auch Phasen wo wir Überstunden machen. Wir haben eine gute Organisationsform als Kollektiv, sodass wir darauf achten können, wer gerade stark ist und an seine Grenzen gehen kann und wer mal eine Pause braucht. Die Leute sagen uns: „Ihr verdient zu wenig Geld“. Wir sagen: „Das Geld passt, aber wir würden gern weniger arbeiten“. Unsere idealen Arbeitszeiten wären Montag bis Freitag von 7:30 bis 16:30, mit einem freien Nachmittag pro Person in der Woche. Unser Ziel ist zu beweisen, dass Landwirtschaft auch mit Sommerurlaub, geregelten Arbeitszeiten und Wochenenden funktionieren kann

Text und Fotos: Viktoria Mokretsova