Gesichter des BJL: Maria Natt

Was zeichnet die Menschen in den Betrieben beim Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen. Unsere Gesprächspartnerin diesmal ist Gemüsegärtnerin und Betriebsleiterin Maria Natt vom Gärtnerinnenhof Blumberg.

08.04.2021

Gesichter des BJL: Maria Natt

Maria hatte das Glück, ihren Ausbildungsbetrieb zu übernehmen. Sie ergriff die Chance und seit 2019 führt sie zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Isabel Burmeister den Gemüsebetrieb Gärtnerinnenhof Blumberg. 

Wie kamst du in die Landwirtschaft? 
Direkt nach der Schule habe ich ein FÖJ auf einem Betrieb in Schleswig Holstein gemacht. Zum Schluss war mir klar, dass ich mich mit der Landwirtschaft beschäftigen möchte. Die Arbeit hat mir unheimlich gefallen und ich sah es als einen sinnvollen Beitrag zum Wohle unserer Gesellschaft. Ich hätte nie etwas machen können, was nur meiner persönlichen Entwicklung dient. Nach dem FÖJ bin ich nach Berlin gezogen und fand den Gärtnerinnenhof.
 
Erzähl etwas zur Geschichte des Hofes, wann wurde er gegründet? 
An diesem Standort gibt´s die Gärtnerei schon lange: Die Gewächshäuser wurden noch in den 30-er Jahren gebaut. In der DDR-Zeit war hier eine Zierpflanzengärtnerei. Nach der Wende wurde dann der Gärtnerinnenhof als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gegründet. Im Betrieb sollten vor allem Frauen arbeiten, daher auch der Name. Unsere Vorgängerin Giseltraut Sabeh führte den Hof seit 1992, bis meine Geschäftspartnerin Isabel und ich ihn 2019 übernahmen.
Wie ist es dazu gekommen, dass ihr den Hof übernehmen konntet? 
Isi hat hier erst als Azubi und dann als Angestellte insgesamt 12 Jahren gearbeitet. Ich habe hier auch meine Gärtnerinausbildung absolviert, eine Weile gearbeitet und bin dann aber nach Nordamerika gegangen, um etwas frischen Wind zu bekommen. Als Isy mir vorschlug, den Betrieb zusammen zu übernehmen, war ich in Kanada und es war nicht klar, ob ich zurückkomme. Die Übernahme war für mich eine große Chance, denn alles was wir zum Ausprobieren brauchten war da – der Betrieb wurde uns sozusagen auf einem Silbertablett serviert. Das waren ideale Voraussetzungen und ich dachte: Wenn das hier nicht klappt mit der eigenen Existenzgründung, dann brauche ich es woanders gar nicht versuchen. 

Wie lief die Übernahme?
Wir hatten den großen Vorteil, dass die Infrastruktur und Vermarktung bereits gut entwickelt waren. Der Betrieb lief sehr gut und wir mussten nicht das Rad neu erfinden. Nun ist es unsere dritte Saison, wir sind etwas größer geworden, haben mehr Angestellte und verbessern die Abläufe weiter. 

Wo gibt es am meisten Verbesserungsbedarf? 
In der Betriebsentwicklung hat Giseltraut schon einige Riesenschritte gemacht, darauf können wir dankenswerterweise aufbauen. Aber wir sehen auch noch mehr Potenzial. Meine Vision ist, diesen Ort noch lebendiger und vitaler zu machen, sowohl im Sinne des Bodenaufbaus als auch in Bezug auf soziale Strukturen. Denn die Besonderheit von diesem Hof sind die Menschen, die hier arbeiten und das Arbeitsklima, das sie schaffen. Ich möchte, dass dieser Ort noch mehr Chancen für junge Leute bietet, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Das motiviert mich viel mehr, als die Vermarktung zu verbessern oder den Umsatz zu erhöhen. 
Nach welchen Prinzipien wirtschaftet ihr? 
Wir verwenden Methoden der regenerativen Landwirtschaft, weil wir unsere Bodenstruktur verbessern wollen. Es wurde jahrzehntelang großzügig mit Kompost gedüngt, sodass sich viel Kalium anreicherte. Das führte dazu, dass Fein- und Mesoporen verschwanden. Nach starken Niederschlägen sehen wir, wie der Boden erodiert. Deswegen ersetzen wir den Kompost durch Gründüngung und Zwischenfrüchten. Wir bringen Zeolith und milchsaure Pflanzenfermente aus, die diese Kalium-Überschüsse binden. 

Du bist noch nicht so lange in der Betriebsführung, was hat sich für dich mit diesem Rollenwechsel geändert?
Ich bin nur noch selten auf dem Acker. Mir fehlt diese Interaktion mit den Mitarbeiter:innen. Andererseits wollte ich nicht mehr weiter angestellt sein, da ich die Verantwortung selbst in die Hand nehmen wollte. Die Betriebsleitung bietet viel Raum, in sich Neues zu entdecken und theoretischen Input in der Praxis auszuprobieren. Auch wenn es nervig ist, so viel im Büro zu sitzen, und ich manchmal ein schlechtes Gewissen habe, dass alle ackern und ich mit meiner Teetasse hier sitze, ist es ein totales Geschenk, da ich die Betriebsprozesse beobachten und steuern kann.Was macht dir dabei am meisten Spaß? 
Wenn meine Ideen funktionieren, zum Beispiel in der Bodenbearbeitung. Die Planungsarbeit zu machen und mir die Zeit zu nehmen, durch den Betrieb zu gehen und mir alles in Ruhe anzugucken. Das ist auf jeden Fall erst mit der Betriebsleitung dazugekommen. 

Arbeiten auf dem Betrieb immer noch nur Frauen?  
Männer haben hier auch gearbeitet und es gab auch männliche Azubis. Wir sind auf keinen Fall den Männern verschlossen. Dass hier primär Frauen sind hat sich so ergeben. Sie kommen hierher und machen diese tolle Dynamik aus, die es auf dem Hof gibt. Da passen viele Jungs nicht dazu. Und das merken sie auch. Es ist ein bisschen wie in der Vorstands-Etage eines DAX-Unternehmens, wo nur Männer sitzen und wo es unheimlich schwierig ist, als Frau Fuß zu fassen. Uns ist es auch wichtig, dass besonders junge Frauen sich hier ausprobieren können. Ich mag es zu sehen, wie Mädels, die hier ihr FÖJ machen, total schüchtern ankommen und ein paar Monate später aufblühen und starkes Selbstbewusstsein in ihrem Handeln zeigen.

Fotos: BJL, Viktoriia Mokretcova