Gesichter des BJL: Diego Maronese

Was zeichnet die Menschen in den Betrieben beim Bündnis Junge Landwirtschaft aus? Wie sind sie in die Landwirtschaft eingestiegen, was bringt ihnen Freude und was fordert sie heraus? Im Rahmen einer Interviewreihe sprechen wir mit unseren Mitgliedern über ihren Alltag und ihre Visionen. Diesmal mit Gemüsegärtner Diego Maronese vom Spörgelhof.

29.11.2021

Gesichter des BJL: Diego Maronese

Seit 2014 betreibt Diego gemeinsam mit einem jungen Gärtner:innen-Kollektiv eine Solawi mit knapp über 100 Ernteanteile in der Nähe von Bernau. Neben Gemüsebau wird hier besonders auf Humusaufbau geachtet und schonend mit dem Boden umgegangen.
 
Diego, wie bist du Gemüsegärtner geworden?

Ich bin auf einem Bauernhof in Norditalien aufgewachsen, aber er war so gut wie stillgelegt. Meine Großeltern bauten Getreide, Mais und andere Kulturen an und hatten noch ein paar Milchkühe für ihre Subsistenzwirtschaft. Ich bin aber nicht sofort Gärtner geworden, sondern studierte erst Geologie in Berlin. Das Thema meiner Diplomarbeit war Nitrat-Einträge durch die Landwirtschaft, sehr spannend und inspirierend. Nach dem Studienabschluss gingen viele meiner Kommiliton:innen auf Weltreise. Ich ging nach Brandenburg und wollte mehr übers gärtnern wissen! Drei Jahre lang arbeitete ich auf unterschiedlichen Gemüsebetrieben wie die „Wilde Gärtnerei“, bei Ludwig Seeger in Börnicke und in Rüdnitz bei Olaf Willert. So wurde ich Gärtner!

… und hast den Spörgelhof gegründet!

Richtig. Aber nicht sofort.

Nach der gärtnerischen Ausbildung wollte ich eigentlich nur Selbstversorgung machen und mein Geld als Ingenieur verdienen. Aber im Büro Fuß zu fassen gelang mir nicht so richtig. So begann ich 2014 zusammen mit einem ehemaligen Kollegen Gemüse anzubauen. Das Grundstück wurde von meinem ehemaligen Arbeitgeber Olaf Willert gepachtet und wir durften es mitbenutzen. Die ersten Jahre waren sehr schwierig. Wir mussten zusätzlich woanders arbeiten, weil die Gärtnerei noch kein Einkommen erwirtschaftete. Der Ertrag war auch nicht so gut und uns fehlte Kapital zum investieren. Wir hatten nur ein paar alte Werkzeuge, unsere Hände und viel Motivation! Mit geringen Lebenshaltungskosten und paar Ersparnissen ging es aber und so konnten wir diese schwierige Phase überstehen. Im ersten Jahr gaben wir Ernteanteile an 12 Mitglieder aus und jede Saison kamen circa 10 neue hinzu. Nun sind wir ein sechsköpfiges Kollektiv und haben knapp über 100 Anteile, das ist echt super!

Die Gründung war also nicht so leicht. Was würdest du rückblickend anders machen?

Ich weiß es nicht. Ich kenne viele Betriebe, die mit uns gestartet sind und die viel bessere Bedingungen hatten, aber jetzt aufgehört haben und wir sind immer noch da. Ich glaube, Elan und Lust sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Ansonsten würde ich mehr Geld am Anfang investieren, aber damals traute ich mich nicht, weil ich zu wenig praktische Erfahrungen hatte. Es war sehr anarchisch, was wir hier gemacht haben, aber es war auch nett. Es ist nicht schlimm, etwas gelitten zu haben.

Nach welchen Prinzipien wirtschaftet ihr?

Erstens: So wenig wie möglich arbeiten, Arbeitsprozesse optimieren und keine Überstunden machen. Wir versuchen uns daran zu halten, aber immer wieder kommen stressige Phasen. Dagegen haben wir zwei Maßnahmen: Zum einen mechanisieren wir unsere Arbeit mit dem Traktor und anderen Maschinen. Zum Anderen versuchen wir unseren Alltag zu analysieren. Wir führen Tagebücher, machen Feedback-Runden und versuchen, die Zeit genauer aufzufassen, um regelmäßig evaluieren zu können, ob bestimmte Abläufe sich lohnen oder auch nicht. Menschen, die Getreide anbauen, können in zwei Sätzen sagen, was sie in der Woche gemacht haben. Bei uns ist es komplexer: Im Gemüsebau passieren viele Dinge gleichzeitig und man muss sehr aufmerksam sein um den Überblick zu behalten. Zweitens: Wir legen viel Wert auf Humusaufbau. Wir halten unseren Boden bedeckt, pflanzen in Mulch und bearbeiten den Boden möglichst flach, maximal 5 cm.

Wie hast du dir als Quereinsteiger das Wissen über Gärtnern angeeignet?

Mein Geologie-Studium hat mir dabei geholfen. Die Mechanik des Bodens habe ich dort gelernt und die Biologie des Bodens konnte ich mir durch die Praxis aneignen. Ich lese Bücher und Artikel, eine große Inspirationsquelle für mich ist die WhatsApp-Gruppe „Passion for farming“ von einem österreichischen Landwirt Manfred Derflinger. Dort habe ich viel über Bodenchemie gelernt. Um in die Gruppe aufgenommen zu werden, muss man Manfred anrufen und wenn er das Gefühl hat, dass du passt, nimmt er dich auf. Außerdem organisiere ich regelmäßig Gärtner:innen-Treffen, wo ich mich mit meinen Kolleg:innen austausche.

Wie soll sich der Spörgelhof weiterentwickeln?  

Wir wollen die Bewässerung und die Logistik verbessern: Wie wir ernten und packen. Wir überlegen uns auch, ob Humusaufbau nicht effizienter durch Tiere als durch Pflanzen zu erreichen ist. Um das zu überprüfen, wollen wir ein paar Schafe ausleihen.

Was motiviert dich, in der Landwirtschaft zu arbeiten? 

Es ist begreiflich: Wenn ein kleines Kind gefragt wird, was der Papa macht, kann das Kind das leicht beantworten: „Gemüse anbauen“. Diese einfache Welt, Bodenständigkeit und Arbeit an der frischen Luft gefallen mir am meisten. Und die Leute um uns herum – sie sind idealistisch, unprätentiös, spontan. Das ist auch gut!